Der (Wohn-) Immobilienmarkt und seine Akteure erlitten in den letzten Monaten aufgrund des Anstiegs der Zinsen und dem Mangel an Baumaterial eine Phase großer Ungewissheit. Dennoch bestehen auch viele konträre Effekte, die darauf hinweisen, dass der Hauspreiszyklus dennoch zu keinem Ende kommt.
Gliederung
- Der aktuelle Stand der Dinge
- Doch wie sieht bzw. sah die Lage aus ökonomischen Gesichtspunkten aus?
- Folgende Gründe legen ein solches Ergebnis nah
Der aktuelle Stand der Dinge
In der vergangenen Zeit mussten Investoren sowie die Baubranche im Allgemeinen mit einer Reihe von Kostensteigerungen umgehen. Von Dezember 2021 bis Juni 2022 erhöhten sich die Bundrenditen von fast -0,4% auf über 1,7%. Auch zogen die Hypothekenzinsen merkbar an, von der Diskussion rund um die KfW-Förderung gar nicht zu erst zu sprechen. Dies blieb nicht folgenlos: Die Nachfrage seitens der privaten Hausbauer und -Käufer wurde ebenso gedämpft wie die der Immobilieninvestoren. Auch die Baupreise sind eng an die Energie- und Metallpreise gekoppelt, welche durch den Krieg in der Ukraine signifikant stiegen, obwohl das Preisniveau durch die vorangegangenen Lieferengpässe sowieso schon hoch war: Im Mai 2022 lagen die Baupreise satte 17% höher als im Vorjahr, ein Hoch, dass es schon ein halbes Jahrhundert nicht mehr gab.
Die spürbare Konsequenz: Der seit 2009 anhaltende Boom fand ein jähes Ende und wurde durch ernüchternde, gravierende Unsicherheit abgelöst. Dass dieses Hoch – der Boom nach der Finanzkrise 2008/2009 – kein Normalzustand ist, wird wohl nun auch dem letzten Investor schmerzhaft klar geworden sein. Einige Investoren, die die Gunst der “neuen Stunde” nutzen wollten, reagierten mit dem Abstoßen ihrer Immobilie und es kam zu einer kleinen Verkaufswelle: Die Haus- und Wohnungspreise fielen zwischen Februar bis Juni 2022 um etwas mehr als 2% nach Angaben von Hypoport.
1957-2022: Inflationsbereinigte 10-jährige Bundrenditen
Doch wie sieht bzw. sah die Lage aus ökonomischen Gesichtspunkten aus?
Der wohl zentrale Faktor, der zu einer Entschleunigung führe, war der Zinsschock. Als eher preistreibend konnte jedoch der Rückgang der Bautätigkeit ausgelegt werden: Das Angebot wurde verknappt, die Preise steigen. Entgegen der Erwartungen vieler Experten wurde 2021 weniger neuer Wohnbau errichtet, in Zahlen “nur” 293.000 Wohnungen, 13.000 weniger als im Jahr 2020. Ein weiterer Faktor, der zur steigenden Angebotsknappheit führt, ist die Welle an Menschen, die aus der Ukraine kommen und in Deutschland Zuflucht suchen. Aktuell wird mit einem Zuzug von 1,6 Mio. Menschen gerechnet. Zu Beginn bis Mitte 2021 gab es darüber hinaus eine recht hohe Anzahl an Zuwanderern (etwa 329.000 Personen); diese Quote flachte anschließend jedoch wieder ab.
Der bereits knappe Wohnraum wurde zur Mangelware und es wird vermutet, dass sich die Angebotsknappheit erst im Jahr 2025 – und nicht 2023, wie zuvor prognostiziert – rehabilitiert haben wird.
Tilgung und Hypothekenzinen
Werfen wir einen genaueren Blick auf den Zinsschock im Jahr 2022, der von vielen Immobilieninvestoren, der Bauindustrie oder einigen Finanziers womöglich falsch interpretiert und zu wenig beachtet wurde. Denn: Es ist denkbar, dass der kleine nominale Zinsschock, den wir im vergangenen Jahr erlebten, eigentlich eine geringere Belastung für viele Investoren darstellt, als zunächst vermutet.
Folgende Gründe legen ein solches Ergebnis nah:
Zunächst sinkt die Tilgung des klassischen Annuitätendarlehens: Die jährliche Durchschnittstilgung betrug verglichen zu den fast 2,7% zu Beginn des Jahres im Juni nur noch 2,3 %. Außerdem fielen die realen Zinsen auf ein historisches Tief. Auslöser hierfür ist die Inflation. Wenn diese in ihrer aktuellen Form bestehen bleibt, wofür die lockere Fiskalpolitik, die Neuausrichtung der Geopolitik und die Demografie belastbare Anhaltspunkte liefern, sinkt die reale Kreditbelastung. Die reale Tilgung wird für viele Kreditnehmer von größerer Bedeutung sein als die nominale – jedenfalls dann, wenn die Einnahmen der Kreditnehmer angesichts der Inflation erhöht werden und nicht unter dieser leiden. Für die Häuslebauer kann dies etwa über einen Inflationsausgleich der Löhne erfolgen, für Investoren über den Anstieg der Mieten oder über einen erhöhten Wiederverkaufspreis. Ein Inflationsausgleich sollte hinsichtlich der umfassenden Lieferengpässe für Verkäufer durchsetzbar sein.
Die Kombination von grundlegender Angebotsknappheit, der hohen Inflation und einem eher kreditnehmerfreundlichen Milieu äußern sich im Steigen der Preise.
Die genannten Faktoren stellen durchaus gute Gründe für eine Preisstabilisierung und -Erhöhung dar, was im Umkehrschluss bedeutet, dass der Hauspreiszyklus noch nicht vorbei ist. Dennoch wird sich die Preisdynamik aufgrund der großen Unsicherheit und der unbeständigen, sprunghaften wirtschaftlichen Lage wohl weniger dynamisch als bisher verhalten: Die nunmehr 14 Jahre andauernde Phase der fallenden Zinsen und der Wohnungsknappheit sowie die hieraus resultierenden Erfolgssträhne der Immobilieninvestments scheint nun ihr Ende gefunden zu haben. Kommt es aufgrund der aktuell eher miesen Stimmung dennoch zu einem (sanften oder erheblichen) Rückgang des Preisniveaus, erwarten Experten jedoch nur vorübergehend niedrigere Preise, aber kein abschließendes, definitives Fallen. Anschließend kann mit einer erneuten Erhöhung der Preise gerechnet werden, was nicht zuletzt den negativen Realzinsen sowie dem signifikanten Mangel an Wohnhaus zu verdanken ist.
Regelmäßig und gut informiert
Sie möchten nie wieder Neuigkeiten aus der Immobilienwirtschaft verpassen?
Mit unserem Newsletter sind Sie immer auf dem neuesten Stand und erhalten regelmäßig Wissenswertes zu den Themen Versicherungen, Altersvorsorge, Geldanlage und Immobilien. Tragen Sie einfach Ihre E-Mail-Adresse ein und profitieren Sie von unserem Wissensvorsprung. Jetzt anmelden: HIER KLICKEN UND KOSTENFREI ANMELDEN